taz Verlag

Designprinzipien und Kundenfokus als Motor für die Seitenwende*
Wie schafft es eine überregionale Tageszeitung, ohne Paywall in der Medienkrise zukunftsfähig zu bleiben?
Der renommierte taz-Verlag stand bereits 2018 genau vor dieser Frage und entwickelte damals den Plan, die werktägliche Ausgabe der taz künftig nur noch digital erscheinen zu lassen. Seitdem sind einige Jahre ins Land gegangen, denn ein solcher Schritt muss gut geplant, durchdacht, gestaltet und kommuniziert sein. Wenn ein Verlag zukunftsfähig sein möchte, müssen alle Beteiligten an einem Strang ziehen, diese gemeinsame Zukunft visualisieren und hinter ihr stehen.
Eine der ersten Fragen, die wir deshalb gemeinsam mit der taz beantworten wollten, war: Was ist die Vision für die taz der Zukunft?
Silos ab- und Vision aufbauen
Der taz Verlag ist ein komplexes Ökosystem, das weit mehr umfasst als Abos und Anzeigen.“ Das Wirkungsfeld reicht von Reise- und diversen Veranstaltungsangeboten, über vielfältige Unterstützungsformate (z.B. Panther Stiftung, Recherchefonds Ausland), bis hin zur Genossenschaft und zum Kundenservice – organisiert in eigenen Gewerken. Das bedeutet aber auch, dass jedes dieser Gewerke eigene Wünsche, Vorstellungen, Bedürfnisse und Anforderungen in den Veränderungsprozess mitbringt. Diese Vielfältigkeit galt es, “unter einen Hut zu bringen“, so dass alle Gewerke an einem Strang ziehen, die gleiche Vision und das gleiche Ziel vor Augen haben.
Nach den initialen Workshops und Usability Tests haben wir zusammen mit dem hauseigenen Projektteam und den Art-Direktor*innen Janine Sack und Christian Küpker ein Konzept und Design System für den taz Verlag erarbeitet, das im späteren Verlauf auch der taz-Redaktion als Grundlage dienen sollte.
Herausforderungen
Die digitale Zusammenarbeit in der Pandemie: Der Beginn der Corona-Pandemie fiel mitten in unsere Auftaktphase. Die gesamte Research- und Workshop-Phase musste kurzfristig ins Digitale verlegt werden. Trotz dieser Umstände konnten Stakeholder-Interviews, Usability Tests und sämtliche Co-Creation-Sessions erfolgreich online umgesetzt werden.
Eine Vielfalt an Ideen und Anforderungen: Alle Verlagsgewerke und die Redaktion mussten in eine gemeinsame Vision eingebunden werden. Unterschiedliche Vorstellungen, Wünsche, Inhalte und Strukturen mussten konsolidiert und in ein nutzerzentriertes Konzept überführt werden.
Fokus auf Zukunftsfähigkeit: Zentrale Geschäftsprzesse wie “taz zahl ich” und die Abo Prozesse mussten optimiert und verschlankt werden.
Skalierbarkeit: Neben den Verlagsseiten war – zwar in einem späteren Schritt – auch die Redaktion betroffen, was mitgedacht werden musste. Ziel war ein Design System, das übergreifend funktioniert und konsistente Standards setzt.

Die Designprinzipien der taz:„inklusiv, solidarisch, ikonisch“ – dargestellt durch starke Symbole der Gemeinschaft. Design der Symbole ©Janine Sack und Christian Küpker.
Unsere Lösung: Prozess & Key Features
Die Basis: Transparenz für Anforderungen schaffen durch UX Research und Co-Creation
In-depth, semi-strukturierte Stakeholder-Interviews machten die unterschiedlichen Bedürfnisse und Pain Points der Verlagsgewerke sichtbar und schufen gleichzeitig Transparenz bezüglich der Anforderungen für alle. Vision-Workshops mit den verschiedenen taz Teams halfen, die strategische Ausrichtung zu schärfen sowie weitere Anforderungen und Bedürfnisse der Teams zu erfassen, und moderierte Usability-Tests gaben wertvolle Einblicke in Nutzerbedürfnisse und Erwartungen. So entstand ein gemeinsames Verständnis von Zielen, Designprinzipien und Anforderungen – die Grundlage für alle weiteren Entscheidungen.
Ergebnisse:
- Problem Definition
- Anforderungsanalyse
- Visions-Definition, inklusive Designprinzipien

Viele Wege führen nach Rom. Mögliche Einstiege in den Abo Kaufprozess bieten globale Navigations Elemente (A), diverse Teaser Komponenten (B), die taz App ( C ) und Marketing Komponenten (D)
Es nimmt Gestalt an: Nutzer*innen zentrierte Struktur schaffen
Um die komplexen Inhalte des Verlags verständlich und zugänglich zu machen, haben wir zunächst die bestehenden Content-Typen über alle Abteilungen hinweg mittels weiterer Workshops mit Verlag und Redaktion analysiert und neu strukturiert. Mit Hilfe von Tree Tests und Card Sortings konnten wir herausfinden, wie Nutzerinnen tatsächlich navigieren und welche Orientierungsmuster für sie sinnvoll sind. Daraus entwickelten wir ein Hub-Konzept, welches Inhalte thematisch bündelte. Dies half, die Navigation von Grund auf an den Fragen und Bedürfnissen der Besucher*innen statt nach internen Blickwinkeln auszurichten. Ergänzend dazu erstellten wir ein Interaktionsdesign auf Basis von Wireframes für priorisierte Geschäftsbereiche des Verlags, die später als Grundlage für das Design System dienten.
Ergebnisse:
- klare Informationsarchitektur für Verlag und Redaktion und bessere Nutzerführung
- Zukunftfähiges Konzept mit inhaltliche Orientierung an den tatsächlichen Bedürfnissen

Das Ergebnis des Usability-Tests war eindeutig: die taz Abo Übersichtsseite war “too much“. Zu viele Angebote mit zu vielen Informationen, die nicht miteinander vergleichbar waren. Menschen waren überfordert. Unsere Lösung: klare Bildsprache, klare Worte in strukturierter Form und optimierte UX-Copy für ein übersichtliches Abo Angebot.
Feinschliff mit Wirkung: Kohärenz und wirtschaftliche Nachhaltigkeit durch ein Design System
Parallel zur konzeptionellen Arbeit entwickelten wir gemeinsam mit den Art-Direktor*innen Janine Sack und Christian Küpker ein umfassendes Design System. Es sollte nicht nur für die Verlagsseiten, sondern auch später für die Redaktionsseiten und die taz App ein konsistentes Nutzererlebnis sicherstellen. Das System verbindet Funktionalität mit Ästhetik und bietet eine skalierbare Basis, die schnelle Anpassungen sowie die unkomplizierte, wirtschaftlich-ökonomische Erstellung neuer Seitentypen ermöglicht. Gleichzeitig stärkt es die visuelle Identität der Marke taz und sorgt dafür, dass die vielfältigen Produkte des Hauses aus einem Guss erscheinen.
Ergebnisse:
- Design System mit Skalierbarkeit über Verlag und andere Produkte wie z.B.Redaktion und App
- Effizienz und ökonomische Nachhaltigkeit bei Design- und Entwicklungsprozessen
Mit Zuversicht in die Zukunft
Der Relaunch der Verlagsseiten im September 2023 markierte einen wichtigen Meilenstein für die taz. Der Grundstein für die sogenannte Seitenwende* war gelegt.
Die neue Verlagsseite bietet
- eine klar strukturierte, nutzerzentrierte Navigation, welche die Sprache der Nutzer*innen spricht
- ein kohärentes Experience und visuelles Design, welches die Markenidentität stärkt
- eine digitale Plattform, die die Vielfalt innerhalb des taz Verlags sichtbar und erlebbar macht.
Parallel dazu wurde die taz App kontinuierlich weiterentwickelt – mit dem gleichen Fokus auf Nutzerfreundlichkeit und Lesegenuss.
Mit dem digitalen Relaunch hat der taz Verlag die Grundlage gelegt, die Transformation der Medienlandschaft aktiv mitzugestalten. Die enge Zusammenarbeit über drei Jahre hinweg hat gezeigt, wie UX Research, Co-Creation und Interaktionsdesign zusammenspielen, um nachhaltige digitale Lösungen zu entwickeln.
The Future Is Now
taz, die Tageszeitung erscheint werktags ab Mitte Oktober ausschließlich digital
Knapp zwei Jahre nach dem Launch der neuen Verlagsseiten und nach erfolgreichem Launch der neuen Redaktionsseiten ist es nun im Oktober 2025 soweit: Ab dem 17. Oktober 2025 erscheint die taz werktags ausschließlich digital. Die taz bleibt eine Tageszeitung – nur eben nicht mehr auf Papier. Die wochentaz gibt es weiterhin gedruckt.
Wir freuen uns, Teil dieses Transformationsprozesses gewesen zu sein und sind gespannt auf die Reaktionen der Leserschaft sowie die nächsten Schritte in dieser neuen Ära der taz.
*Mehr zur taz Seitenwende: www.taz.de
Titel Bild: ©taz Verlag